Sitzen verboten
Einsendung in der Kategorie Grafik/Zeichnung
Kategorie: Grafik/Zeichnung
Genre/Technik: Milieu/Genre/Alltagsbeobachtungen
Größe: 20 x 30 cm Künstler: Lydia Lander
Shutdown. Im Center sind als einziges geöffnet: Apotheke, Drogerie, Lebensmittel-Discounter. Kaum ein Mensch ist unterwegs. Die Sitze sind abgesperrt oder abmontiert. Sitzen verboten. Ich habe mehrmals erlebt, wie alte oder schwache Menschen, vom Einkauf ermüdet, keine Gelegenheit fanden, sich kurz irgendwo niederzulassen und auszuruhen. Die Zeichnung zeigt abgesperrte Sessel von oben, Leere, Ferne, Einsamkeit. Ein unkenntlicher Mensch huscht wie ein Schatten vorbei. Das Reklame-Bild eines geschlossenen Mode-Geschäfts wirkt wie ein Relikt aus vergangener Zeit, utopisch. Die Nachrichten loben die Solidarität mit älteren Menschen, plädieren für Digitalisierung und Fortschritt. Man führt man eine Art Doppel-Leben im Kopf, auf der einen Seite Vereinsamung und Distanz, Menschen ermahnen und kontrollieren sich gegenseitig, sprechen hinter vorgehaltener Hand, Freunde zerstreiten sich, auf der anderen Seite sieht man Bilder von Toten, Särgen, Sirenen, applaudierenden jubelnden Menschen in häuslicher Quarantäne und wie wir uns erfinderisch durch Digitalisierung näher seien als je zuvor. Wie kommt so ein "Doppel-kopf" mit sich ins Reine? Wie kann man Gedanken verfestigen? Zeichnen ist Denken, zwischen Skizze und konkreter Form, eine Welt im Fluss, stets unperfekt und im Wandel, eine Idee, ein Gespräch, spontane Beobachtung, auf eine Fläche komprimiertes Nacheinander, Vergangenheit und Gegenward in Gleichzeitigkeit, Suche nach dem Sinn, Verfestigung einer Überlegung, um sich doch wieder in Irrtum und Fragen wiederzufinden. Diese Zeichnung ist Teil einer fortlaufenden tagebuch-artigen Serie, humorig und manchmal zynisch und nachdenklich, bestehend auch aus Zitaten aus Nachrichten und Netzwerken sowie aus Notizen zu meinen Alltagserlebnissen und Gedanken, bisher veröffentlicht in einem Blog: https://lydia-lander.de/corona.php.
