kurz vor nackich
Einsendung in der Kategorie Installation
Kategorie: Installation
Genre/Technik: Performative Installationskunst
Technik: Mixed-Media: Zeichnung, Malerei, Collage, Skulptur, Performance, Film
Größe: Wand: 4,5x3,5m, Boden: 4,5x2m Künstler: Martin Holz
Webseite: www.gosteditor.de
WARUM „KURZ VOR NACKICH" ENTSTANDEN IST Wenn die Seele aus Angst ein Doppelleben aufführt, hat man selbst irgendwann einfach garnichts mehr zu sagen und so ziemlich alles geht den biografischen Bach runter. Ein halbes Leben ist dann im Eimer und die Gefühle sind ein Schrottplatz für alles, was hätte sein können, aber nie eintrat: ein richtiges Leben und dein Herz ist bei Dir. Stattdessen ist jede Sekunde wie ausgestorben im Verließ der Gegenwart und sinnlos turnst du durch den Wald der Augenblicke, die Dich anlügen und immer wieder zurückbringen, zurück an den Ort, wo alles anfing – 1994 - und niemals wirst du bei Dir sein. Wie in einer dunklen Suppe geht alles vor sich: das absolut Normalste, das Schönste, das Hellste – alles ist wie geplanter Mord. Wenn das Leben so für die Seele zum Extremsport wird, desertiert das Ich. Es wird zur Fehlermeldung und ein Anderer übernimmt das Ruder: bis alles „kurz vor nackich“ und wie zum Verrecken ist. Das ist der schwärzeste Augenblick, der dir sagt, dass es gleich keine winzigste Chance mehr gibt in diesem Fluch. Deine Lippen sprechen von „Big Storno“ und Sayonara, es ist „kurz vor zwölf“ und in diesem Moment schlägt es dreizehn: die Attacke beginnt und mit Vollgas geht einer voll in die Eisen: und stoppt die Zeit, bremst das Geschehen aus. Zugepumpt wird der Raum bis jedes Auge im Angesicht der Platzangst endlich kapiert: das Ich ist ein Wunder, nicht selbstverständlich also und bei sich sein zu dürfen die größte Schönheit. Ich wünschte, ich könnte das haben und träume von einer Art Vollbremsung der Zeit oder von einer Zeitmaschine, um durch die Wurmlöcher der Gefühle zurück zu reisen, zurück in den Moment, wo alles begann: um zu ändern, was sich nie ändern liess – und um Ich zu sein. WIE "KURZ VOR NACKICH" ENTSTANDEN IST Mit der während des Lockdowns performativ entwickelten Installation „kurz vor nackich“ wird die Thematik „Emergency Break“ - obwohl mir der ggf. intendierte Corona-Zusammhang bewusst ist - vor dem Hintergrund der Angst kausalisiert, die das „Ich“ nicht nur minimiert, sondern im biografischen Erfahrungskontext erst transformiert, dann depersonalisiert und schließlich nihiliert. Mein gesamtes Schaffen durchzieht dieses Sujet und sucht Ansätze und Lösungen, um „das zu stoppen, was sich nicht stoppen lässt“ – Zeit, Tod, Terror - und bis die Angst zurückkehrt. In der Realisierung der Installation „kurz vor nackich“, die sich stetig erweitert, habe ich daher den Affekt der Angst für meine künstlerische Praxis, die eine enorm performative oder körperbezogene Praxis ist, genutzt. Dabei provoziere ich durch Körperexperimente bestimmte Affekte oder Zustände, um spezifisches Wissen oder bestimmte Handlungen zu provozieren, die künstlerisch oder literarisch ausgedrückt werden. Auf diese Weise entstehen Extremsituationen vermittels derer ich „zu mir komme“, um aus der Verlorenheit – ausgelöst von Gesellschaft, Sozietät, Biografie – zu treten, um „allein das zu fühlen, was ich fühle“. Um den Affekt der Angst in „kurz vor nackich“ hervorzurufen, habe ich durch Schlaf- und Nahrungsentzug während des Lockdowns äußerst energische Zustände erreicht und das Projekt weitestgehend in kurzer Zeit entwickelt. Es sind ungefähr hundert Zeichnungen, einige Papierskulpturen, plastische Arbeiten und zahlreiche Texte entstanden. Zudem wurden zuvor umfangreiche Bildmodifikationen popkultureller Filmfiguren (Terminator, Shurayuki und Jean Claude van Damme) vorgenommen, indem Teile des Körpers oder das Gesicht durch eigene Teile / Gesichter ersetzt wurden, um deren Ich und Identität als Helden alternativ zur biografischen oder existenziellen Problemlösung anzunehmen. Diese Transformationen erprobe ich performativ und in meinen Installation durch die Wiederholung enormer Traumata oder das Nachspielen dafür repräsentativer Filmsequenzen immer wieder, um Zeit und Tod – deren Terror – zu stoppen und zu besiegen. Das, was ich mache, ist eine Vollbremsung, indem ich bis ultimo auf's Gas drücke, um mich und die Momente – in denen alles „kurz vor nackich“ ist – zu finden und zu verändern.